Ich bin gelernte Erzieherin (40), arbeite seit vielen Jahren in der Eingliederungshilfe und leite mit 20 Wochenstunden eine Wohneinrichtung für 30 Menschen mit geistigen und psychischen Beeinträchtigungen. Die beruflichen Herausforderungen in diesen Bereich sind hoch und oft nervenaufreibend, weshalb ich zum Ausgleich dieses Herzensprojekt gestartet habe. Seit Oktober 2023 absolviere ich die Weiterbildung zur zertifizierten Gartentherapeutin in Grünberg, die ich im September 2024 abschließen werde.
Letztes Jahr im Sommer begann ich mir Gedanken zu machen. Es musste doch möglich sein, meine Leidenschaft "Gemüseanbau" professionell mit meinem Beruf unter einen Hut zu bekommen und am Ende damit Geld zu verdienen?! Und so entstand eine Idee, dann ein Konzept und ein eiliger Termin bei Daniela und Beate von Projekt Sultan im hessischen Gründau Breitenborn.
Ich bin fest davon überzeugt, dass man in Menschen ein Feuer entfachen kann für Dinge, für die man selbst brennt. Arbeiten im Garten empfinde ich selbst als sehr sinnstiftend und befriedigend: Man steckt einen Samen in die Erde, schenkt ihm ein wenig Zeit, Aufmerksamkeit und Pflege und erhält einige Wochen oder Monate später ein leckeres Gemüse. Großartig! Meine Theorie ging zumindest schon mal bei den Frauen vom Projekt Sultan auf, man war höchst interessiert an meiner Vision.
Parallel zu den tiergestützten Angeboten von Projekt Sultan noch ein "pflanzengestütztes" Projekt zu starten, war für alle Beteiligten schnell stimmig - eine optimale Ergänzung. Die historische Mühle in Gründau Breitenborn und der große Nutzgarten boten sich für dieses Projekt regelrecht an und ich bin sehr glücklich und dankbar darüber, dass ich dieses tolle Fleckchen Erde gemeinsam mit spannenden Menschen gestalten kann.
Meine Einstellung zum Begriff "Gartentherapeutin"
Ich muss gestehen, dass ich mit dem Begriff aktuell noch nicht 100% konform bin und mich aktuell noch ein Stück weit scheue, mich selbst als Therapeutin anzusehen. Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn Menschen stets begleitet, betreut und ggf. gelehrt, bzw. motiviert, etwas selbst zu tun. In dieser Rolle war ich stets Begleiterin, Unterstützern, "Motiviererin", Lehrerin. Mein Ziel dabei: Dass der Mensch sich dabei gut fühlt und eigene Ziele erreicht.
Meine ganz persönliche Ansicht zum Therapiebegriff war, dass jemand ein gesundheitliches/ psychisches Defizit hat und die Therapie dafür sorgt, dass das Problem beseitigt wird. Darin verbirgt sich für mich die Erwartungshaltung, dass Therapie immer das Ergebnis einer Heilung erzielen muss. Im Laufe meiner Weiterbildung werde ich von dieser Erwartungshaltung vermutlich immer mehr abrücken. Es soll um Verbesserung oder Erhalt gehen, nicht um komplette Heilung.
Grundständig haben die Menschen, mit denen ich arbeiten werde gesundheitliche oder psychische "Defizite". Bei der Gartentherapie sorgt der Garten selbst dafür, dass diese Defizite bearbeitet werden, und zwar ganz ohne den Fokus auf diese Defizite zu legen. Eigentlich kann ich mich innerlich ein wenig zurücklehnen und sagen, mein Garten wird der Therapeut sein und ich darf den Menschen dorthin begleiten, damit der Garten wirken kann. Dann können Menschen beispielsweise wieder beweglicher werden, weil der Garten dazu einlädt sich zur nächsten schönen Blume zu bewegen.